Wo steht ein  Harmonium?

(Seite im Aufbau)


1842 erhielt Alexandre Debain in Frankreich das Patent für sein Harmonium. Es hatte alle Voraussetzungen als Instrument seiner Zeit. Es galt als  
Orchesterersatz für die Hausmusik, z.B. wenn der Gesang der Söhne und Töchter des Hauses zu begleiten war. Es wurde durchaus oft mit dem Klavier zusammen eingesetzt.  Bald war es auch "alleiniges Instrument" im Haus - nicht nur in Frankreich, sondern auch im restlichen Europa und in Übersee (außerhalb Frankreichs war der Typ des "Saugwindharmoniums" eher vertreten  als Debains Patent.) 

Das Harmonium fand aber auch bald seinen Platz in Kirchen,  weil es dem Klang der Orgel nahe kam - als Ersatz für die Chororgel und oft genug auch für die Hauptorgel. Es war billiger als eine Orgel  und konnte auch in kleineren Räumen aufgestellt werden. Für den Einsatz des Harmoniums im Gottesdienst schrieben - besonders, aber nicht nur in Frankreich - bekannte und namhafte Komponisten Stücke ganz unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade.

Eine Blüte erlebte das Harmonium gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als es als eine Art Heimorgel und Hausinstrument des bürgerlichen Mittelstands, aber auch als veritables Konzertinstrument entdeckt wurde. Auch „Salonorchester“ haben regelmäßig das Harmonium genutzt. In der westlichen Welt wurden zeitweise (um 1900) doppelt so viele Harmonien wie Klaviere verkauft.

Einen ganz eigenen Weg ging dann das Kunstharmonium - auf das hier zunnächst nicht näher eingegangen werden soll.

Deutsche Harmoniumbau - Firmen lieferten insgesamt deutlich über eine halbe Million Instrumente aus. (weitere Informationen und Links: http://de.wikipedia.org/wiki/Harmonium )

HARMONIUM - INSTRUMENT FÜR ...

Hausmusik

Salon

Orchester und Ensemble

Oper 

Kino

Rundfunk

KIRCHEN

Synagogen

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HARMONIUM  -  Instrument für Hausmusik  - Instrument im Salon - ...

HAUSMUSIK

Eine musikalische Ausbildung war vor allem für die Töchter im europäischen Bürgertum seit dem 18. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert hinein selbstverständlich. Klavier und Gesang spielten hier die wichtigste Rolle. Es ging allerdings nicht um berufliche Ziele (Clara Wieck - später die Frau Schumanns) war eine Ausnahme. Es gehörte  einfach dazu und war so etwas wie eine stille Voraussetzung für standesgemäße  Heirat und den bürgerlichen Lebensstil. 

Hausmusikinstrument war zunächst vor allem das Klavier, das Harmonium kam nach seiner "Einführung"  oft hinzu oder es ersetzte sogar das Klavier. Um 1900 wurden nach zeitgenössischen Berechnungen doppelt so viele Harmoniuminstrumente wie  Klaviere  verkauft. Übrigens: oft wurden Klavier und Harmonium auch zusammen eingesetzt. 

  • Veröffentlichungen/ Notensammlungen

Es gibt aus dieser Zeit eine Fülle von Veröffentlichungen von Noten für das Harmonium, die die sehr differenzierte Nutzung spiegeln.In der 1894 bei „Carl Simon Musikverlag, Berlin“ erschienen Schrift von Max Allihn „Einiges über Harmoniumbau, Harmoniumspiel und Harmoniumnoten mit Abbildungen und Notenbeispielen.“ gibt es auf über 120 Seiten ein eng bedrucktes Verzeichnis von Stücken, an denen ein Harmonium beteiligt sein sollte, Stücke für Harmonium-Solo werden auf den Seiten 4 – 32 aufgelistet (Das Gesamtwerk ist im Internet verfügbar:u.a. http://imslp.org/wiki/Harmoniumbau_%28Allihn,_Max%29 , http://imslp.org/wiki/Special:ImagefromIndex/272798 .

Vor allem ein Blick in die dort vertretenen Harmoniumschulen lohnt. Sie dokumentieren mit ihrem Übungs-  und meist auch enthaltenen Vortragsstücken, die angestrebte  Verwendung des Harmoniums.
(z.B. auf der Seite des Arbeitskreises Harmonium in der Gesellschaft der Orgelfreunde:  http://www.harmonium.gdo.de/uploads/media/Benda_Harmonium-Schule.pdf)

http://harmoniumservice.de/downloads/HarmNoten.PDF Auf dieser Hompage ist eine private Sammlung dokumentiert, die auch die Breite des Angebots für Hausmusik  andeutet. 

Mit dem Link http://imslp.org/wiki/Category:Scores_featuring_the_harmonium findet man eine große Zahl von Noten, die im 19./20. Jahrhundert für Harmonium veröffentlich worden sind.  


Lassen wir einen glühenden Vertreter des Gebrauchs des Harmoniums für die Hausmusik zu Wort kommen:

1906 hat Karg-Elert sich in einem ArtikelDas Harmonium und die Hausmusik“ euphorisch geäußert: Höchst wichtig ist nun die Frage: „Durch welche Instrumente üben wir die Hausmusik am idealsten aus?“ Die Antwort wird in unserer klavierseligen Zeit lauten: „Natürlich durch das Klavier!“ – Doch ist sehr bedingungsweise zuzustimmen! Die Ausdrucksmöglichkeit (das weitaus Wesentlichste!) des Klaviers ist und bleibt trotz aller dynmischen Ueberladungen und sich fortwährendwiederholenden Ausdrucksbezeichnungen ziemlich beschränkt; der gehaltene oder gar expressive Ton, der in der Ausdrucksmusik von allerhöchster Wichtigkeit st, ist dem Klavier völlig versagt. Seine Ausdrucksfähigkeit wird durch Hilfsmittel, also indirekt, ermöglicht: durch feinabgestufte cresc. und decresc. Auf nacheinanderfolgenden Tönen, durch kaum merkliche ritardandi und accelerandi, ferner durch äußerst geschickte Klangverwandlung mittels verschiedener Anschlagsarten incl. Pedalbehandlungen. Die individuelle Charakteristik des Klaviers besteht in reichem Figurenwerk, in mäßiger Polyphonie, in machtvollen Akkorden von kurzer Tondauer, in plastischem, – doch homochromem Hervortreten einzelner Stimmen von mäßig-langen Notenwerten. Damit ist die Grenze der Klaviersprache erreicht und es geht ohne weiteres daraus hervor, daß das Klavier in zahllosen Fällen vor Aufgaben gestellt wird, die durch die Wesenheit des Instruments unerfüllt bleiben müssen. Und diese Lücken auszufüllen ist kein anderes Instrument so imstande, als das Harmonium.1 2
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1 Sigfrid Karg – Elert: (In: Rheinische Musik- und Theater-Zeitung, 7. Jahrgang, Nr. 40, Köln, 24.11.1906, S. 575–578) zitiert nach: AK-Hef b6 S.48 f.

2 Er führt weiter aus: „Es besitzt die unbegrenzte Tonalitätsdauer, den ,,fortspinnenden“ Ton, die weiteste Ausdrucksfähigkeit, ferner die Möglichkeit: jeden einzelnen Ton dynamisch schattieren zu können (<>, ><, sfzp >, vibrato, etc. etc.), die polychrome Unterschiedlichkeit und vieles andere mehr. Das Harmonium zeigt seine Vorzüge da am besten, wo es diese angeführten Eigentümlichkeiten frei entfalten kann, und das ist in erster Hinsicht im Hause, im engeren Kreise der Fall. Wenn nun das Harmonium da versagt, wo das Klavier seine spezielle Individualität reich entfaltet und anderseits dieses Instrument vor unmöglichen Aufgaben steht, die das Expressionsharmonium durch seine Eigentümlichkeiten mit Leichtigkeit zu lösen im stande ist, so rhellt daraus, daß ein Zusammenwirken beider Instrumente (nach Art der Kammermusik) ein fast ideales genannt werden kann, da die Vorzüge beider Instrumente summarisch zur Geltung kommen.“ (a.o.a.O)

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INSTRUMENT FÜR DEN SALON



Salonorchester: Viele  Cafes und Salons unterhielten kleine Orchester zur Unterhaltung ihrer Gäste mit Kammermusikprogrammen aber auch zur Begleitung von solistischen Auftritten von Sängerinnen und Sängern. Im Lauf der Zeit entwickelte sich so etwas wie eine Standardbesetzung für diese Orchester: 

Es begann mit dem Klaviertrio (Klavier, Violine, Violoncello), das genügte nicht immer und es  entstanden Unterschiedliche Besetzungen:

-  die sog. Wiener Besetzung mit Klavier (Harmonium), Violine obligat (Stehgeiger), Violine, Violoncello (Kontrabass), Flöte und Schlagzeug;

- die sog. Berliner Besetzung mit Klavier (Harmonium), Violine I, Violine II, Viola, Violoncello, Kontrabass, Flöte ad libitum, Klarinette, Kornett, Posaune und Schlagzeug;

"Um 1900 bezeichnete man im Gegensatz zu Blaskapellen (Blasorchester) auch Streicherbesetzungen mit bzw. ohne Klavier als Salonorchester .“

 vgl. 3http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_S/Salonorchester.xml


weitere Informationen finden Sie auch mit diesem Link:   http://www.ensemble-alexandre.com/?page_id=63



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Harmonium - als Orchester und Ensembleinstrument

Am Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts verlangten viele Komponisten z.B. in Opern, Symphonien oder Oratorien ein „Harmonium“ . So setzt z.B. Gustav Mahler in seiner 8. Symphonie bewusst ein Harmonium ein. Bekannt ist auch der Harmoniumpart in Rossinis Petite Messe solennelle.

Die Diplomarbeit von Michel KÖNIG: „Das Harmonium als Orchesterund Ensembleinstrument dargestellt an ausgewählten Beispielen“ ist komplett im Internet verfügbar und bietet viele vertiefende Informationen.

Link: http://www.harmonium.gdo.de/uploads/media/Koenig_Harmonium-als-Orchester-und-Ensembleinstrument_01.pdf





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Harmonium - Instrument in der OPER

Ab ca. der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es auf den großen Opernbühnen auch eine Orgel, viele Komponisten setzten sie ganz bewusst ein. Aber nicht alle Bühnen besaßen eine Orgel, deshalb gaben viele Komponisten das Harmonium als Alternativlösung an. Auch wenn vom Komponist ein Ersatz nicht  ausdrücklich vorgesehen war, wurde  in der Praxis dann oft statt der Orgel ein Harmonium genutzt.

Wichtig ist aber auch, dass einige Komponisten das Harmonium als Instrument bewusst in ihren Opern eingesetzt haben (siehe Liste unten). 

"Das Harmonium wird aber durchaus als eigenständiges Instrument in der Oper eingesetzt. Meyerbeer etwa schreibt in der Chorszene im ersten Akt seiner Oper Dinorah, ou Le Pardon de Ploëmel (1859) ein Harmonium vor. Schuster sieht den Einsatz dieses Instrumentes als eine Maßnahme Meyerbeers, um die Szene milieugerechter zu gestalten. „Immerhin hätte Meyerbeer auch durchaus auf eine Orgel zurückgreifen können, die er in seiner Grand Opéra Robert le Diable schon zweieinhalb Jahrzehnte zuvor erstmalig […] eingesetzt hatte und deren Vorhandensein zur Zeit der Dinorah zumindest in allen größeren Opernhäusern hätte vorausgesetzt werden können“ begründet er dies. 
Das Harmonium wird ausdrücklich auch von Verdi (
Don Carlos) gefordert, später findet es etwa bei Richard Strauss, Kurt Weill, Franz Schreker oder Carl Orff Verwendung." 


(Quelle und vertiefende Informationen: Livia Krisch:
Die Bühnenorgel in der Oper. Ein Überblick über Hintergrund, Entwicklung, Aufgaben und stilistische Charakteristika.“  
http://othes.univie.ac.at/12791/1/2010-11-11_0505864.pdf (22.4.2014)  


Opern mit Harmonium (Auswahl)


    • Henze, Hans Werner: Pollicino. 1980. Harmonium oder elektronische Orgel.
    •  Meyerbeer,: Dinorah, ou Le Pardon de Ploëmel (1859)
    • Orff, Carl: Der Mond. 1939. Harmonium und Orgel. 
    • Schreker, Franz: Der Schmied von Gent. 1932. Harmonium oder Orgel.
    • Serrano, José: Alma de Dios. 1907. Drehorgel und Harmonium.
    • Strecker, Heinrich: Ännchen von Tharau. 1933. Harmonium oder Orgel.
    • Sutermeister, Heinrich: Romeo und Julia. 1940. Orgel oder Harmonium.
    • Strauss, Richard: Salome. 1905. Harmonium und Orgel. 
    • Strauss,Richard: Ariadne auf Naxos. Harmonium
    • Szymanowski, Karol: Hagith. 1922. Orgel oder Harmonium.
    • Verdi, Giuseppe: Giovanna d’Arco. 1845. Harmonium, Physharmonika.
    • Verdi, Guiseppe: Don Carlos
    • Weill, Kurt: Der Kuhhandel. 1994 (komponiert 1934). Orgel oder Harmonium (auch Akkordeon).
    • Weill, Kurt: Die Dreigroschenoper. Harmonium
    • Wolf-Ferrari, Ermanno: Der Schmuck der Madonna. 1911. Harmonium und Orgel.


 (Quelle: Quelle: Livia Krisch: Die Bühnenorgel in der Oper. Ein Überblick über Hintergrund, Entwicklung, Aufgaben und stilistische Charakteristika.“   http://othes.univie.ac.at/12791/1/2010-11-11_0505864.pdf (22.4.2014)  S. 118 ff. Nach: Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters. Angegeben werden: Komponist, Titel, Jahr der Uraufführung der ersten Fassung, eventuelle Anmerkungen bezüglich Art des Instruments.  - sowei eigene Ergänzungen)

Literaturhinweis: Sandra Zydek, »Das Harmonium in den Opern von Richard Strauss«, in: Das Harmonium in Deutschland. Bau, wirtschaftliche Bedeutung und musikalische Nutzung  eines ‘historischen’ Musikinstrumentes, hrsg. von Christian Ahrens u. Gregor Klinke, Frankfurt/Main 1996, S. 196-204



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Auch im Kino



kam das Harmonium zu Stummfilmzeiten zum Einsatz.Aus einem Spiegel-Artikel:

Die Musik tremulierte über drei Jahrzehnte vor der Leinwand, bis zu den Tagen, da die Leinwand selbst zu krächzen anfing. Zuerst war es Hauptzweck der Musik, das unsympathische Surren des Vorführapparates zu übertönen. Beim Reißen des Films - alle paar Minuten - und in freiwilligen Pausen gab es schnell zur Beruhigung des Publikums vom Grammophon einen flotten Galopp.

Das Grammophon wich dem schrillen Orchestrion, dem verstimmten Klavier und dem brummenden Harmonium. Die Endlösung in den größeren Kinos war das Salon-Orchester vor der Rampe. Mit Trommelwirbel bei jedem Kuß und "Scheiden tut weh", wenn der Held meuchlings erdolcht wurde.“

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44449776.html

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Der deutsche Rundfunk startet 1920 mit Harmonium

…“Eine leicht zerkratzte Schwarzweiß-Aufnahme zeigt fünf Angestellte der Deutschen Reichspost. Sie haben sich in der Hauptfunkstelle Königs Wusterhausen versammelt, um zu musizieren - mit Klarinette und Harmonium, Streichinstrumenten und Klavier. Es ist der 22. Dezember 1920, kurz vor Weihnachten, auf dem Programm stehen klassische Festtagslieder. Die Musiker lächeln steif oder blicken todernst. In der Mitte sitzt ein Mann mit kerzengeradem Rücken, er hält eine verkabelte Geige in der Hand, an die eine Art Mikrofon geklemmt ist. Gleich erklingen die ersten Töne von "Stille Nacht, heilige Nacht" - und obwohl kein Publikum im Raum versammelt ist, erreicht das Stück zahlreiche Zuhörer.

Das kleine Kammerkonzert der Königs Wusterhausener war die Geburtsstunde des Dudelfunks in Deutschland: der Anfang von Dauerbeschallung in Haus und Auto, Arbeitsplatz und Flugzeug - eine Revolution in der Geschichte des Rundfunks. Im Kaiserreich aber hatte sich das noch niemand vorstellen können, denn die Qualität der Übertragung war schlecht: Es rauschte und knatterte, sobald die Empfangsgeräte überhaupt ein Signal bekamen - das noch junge Medium galt als völlig ungeeignet für Musikübertragungen. „
http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/5712/deutschland_entdeckt_den_dudelfunk.html


Mit diesem Link finden sie ein Bild zu diesem Ereignis:  


http://www.spiegel.de/fotostrecke/erstes-rundfunkkonzert-fotostrecke-108489.html

Als „erste Rundfunksendung in Deutschland" ging das vor 50 Jahren am 22. Dezember 1920 ausgestrahlte Weihnachts- konzert in die Geschichte ein. Das „Orchester" bestand aus zwei Mann mit Harmonium und Geige. Die Geige spielte der damalige Inspektor Schwarzkopf, später Leiter des Senderhauses Zeesen.“ http://www.hifimuseum.de/die-erste-sendung.html


1920

2. September:  Station KDKA in Pittsburgh (USA) beginnt mit Sendungen für den  ersten Unterhaltungs - Rundfunksenders der Welt.
22. Dezember: Nachdem   ab Mitte des Jahres 1920  Königs Wusterhausen tägliche Proberadiosendungen mit Sprache und Grammophonmusik in den Äther geschickt hat, gibt es das erste "Instrumentalkonzert" mit Geige, Harmonium und Chorgesang. "Akteure" waren die diensthabenden Telegrafenbeamten!"

Quelle und weitere Informationen:.
http://www.mdr.de/mdr-figaro/hoerspiel/essay/artikel87272_zc-ec563069_zs-a2f25699.html

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HARMONIUM  -  Instrument - in Kirchen...




In vielen Kirchen in Frankreich (durchaus auch in Deutschland) stand/steht seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Harmonium (als Ersatz für die Hauptorgel, oft auch für die Chororgel). 1  Für ein Harmonium musste wesentlich weniger Geld aufgewendet werden als für eine Orgel, so konnten sich auch nicht wohlhabende Gemeinden ein Musikinstrument für die Begleitung des Gesangs und die feierliche Gestaltung des Gottesdienstes leisten. Die (Musik)verlage veröffentlichten deshalb auch viele Notenausgaben mit dem ausdrücklichen Vermerk "für Orgel oder Harmonium". Wichtigster Gesichtspunkt für diese Veröffentlichungen war, dass kein Pedal benötigt wurde.  Die eigene "Klangewelt" und die Möglichkeiten des Harmoniums waren hier eher wenig im Blick. Besonders französische Komponisten haben allerdings auch für die Klangwelt des Harmoniums komponiert ( siehe hier).



In einer Museumskirche im Hessenpark aus dem 19. Jahrhundert ist auch das Harmonium wieder aufgestellt worden

   KIRCHE aus Niederhörlen  im Hessenpark (19.Jahrhundert)


  Das Harmonium                                    Blick aus dem Kirchenraum auf das Harmonium neben dem Altar. 
                                                                                                                              


Situation in Frankreich

Emanuele Jannibelli weist darauf hin, dass der Einsatz des Harmoniums und die relativ große Zahl von Gottesdienstkompositionen für Harmonium in Frankreich der realen Situation geschuldet waren: „ In durchschnittlichen französischen Landkirchen waren Orgeln (und ausgebildete Spieler) eine Ausnahme. Ganz selbstverständlich begann deshalb das neu erfundene Harmonium in die Lücke zu springen. ... . 3 Die Komponisten schrieben fürs Harmonium, um eben den Literaturbedarf der französischen Provinzkirchen zu befriedigen. Ihre Beziehung zu dem Instrument war nicht immer sehr tief. Dies kommt aber der Verwendung dieser Stücke als Orgelmusik sehr entgegen. Ganz im Gegensatz wiederum zur Harmoniumsmusik etwa von Karg-Elert, die – wenn überhaupt – nur nach tiefer gehender Bearbeitung auf der Orgel darstellbar ist.“4

So bekommt in diesen Kompositionen das Harmonium im Gottesdienst die Funktion der Orgel „ Orgel oder Harmonium“ -je nachdem, welches Instrument in der Kirche steht (Harmonium ist hier also wirklich oft „Orgelersatz“).

Komponisten großer symphonischer Orgelmusik aus Frankreich

für Orgel oder Harmonium …

Diese Sammlungen für „Orgel oder Harmonium“ haben die reale Situation in den Gemeinden im Blick und wollten Musik für die vorhandenen Instrumente bereit stellen. In den Registrierungshinweisen haben viele  deutlich die Möglichkeiten des Harmoniums  vor Augen und  dabei aber auch gleichzeitig  an kleinere Orgeln gedacht und für diese ebenfalls eine eigene Registrierung entworfen.

So haben diese namhaften Komponisten – oft selbst Organisten an den großen Orgeln der Metropole Paris - bewusst für einfache Verhältnisse (was Instrument und vielleicht auch den Spieler des Instruments betrifft) komponiert  -sicherlich oft auch auf Anregungen durch die Verlage. Sammlungen für kleine Orgeln und Harmonium erweiterten den Kundenkreis beträchtlich - „L'Organiste“ von César Franck z.B. ist Ergebnis eines „Auftrags“ des „Enoch - Verlags“. 

Wir haben davon heute einen Schatz von Kompositionen, die die Möglichkeiten der Einbeziehung von Kompositionen aus der Zeit der Romantik (z.B. auch für nebenamtliche Organisten) erweitern. ( H.J. Busch hat in seinem Handbuch viele dieser Stücke mit „Schwierigkeitsgrad“ kommentiert. Oft werden sie von ihm mit den (niedrigen Schwierigkeitsgraden 1+2+3 auf einer Skala von 1-6 (1=sehr leicht, 6 =sehr virtuos ) bewertet. Dennoch sind diese Werke „vollwertige“ Musik ihrer Zeit, die auch heute noch wichtige Akzente setzen und viele Veranstaltungen bereichern kann.

Das Projekt

Komponisten großer symphonischer Orgelmusik aus Frankreich

für Orgel oder Harmonium …

stellt diese Kompositionen in einer Handreichung genauer vor. ... mehr 


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Anmerkungen

1 In großen Kirchen gab/gibt es neben der großen Orgel (oft als Hauptorgel bezeichnet) eine kleinere „Chororgel“ . Im Chorraum der Kirche dient(e) sie der Begleitung des (gregorianischen) Chorgesanges . „In Frankreich und England ist es seit dem 19. Jahrhundert üblich, mindestens zwei Organisten anzustellen, von denen einer ausschließlich für die Chororgel zuständig ist. Beide Aufgabenbereiche sind streng voneinander getrennt.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Chororgel

3„Wieso diese Fülle von Harmoniumsmusik gerade in Frankreich, wird man sich fragen. Dies hat viel mit der kirchenmusikalischen Situation in der «France profonde» (der viel zitierten französischen Provinz, zu tun), die sich sehr stark von derjenigen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterschied. Die französische Provinz war eben wirklich «provinziell». Hier hat ja der negative Beigeschmack dieses Adjektivs seinen Ursprung. In durchschnittlichen französischen Landkirchen waren Orgeln (und ausgebildete Spieler) eine Ausnahme. Ganz selbstverständlich begann deshalb das neu erfundene Harmonium in die Lücke zu springen. Emanuele JannibelliPour orgue ou harmonium Leichte französische Orgelmusik im 19./20. Jahrhundert

4 Emanuele JannibelliPour orgue ou harmonium Leichte französische Orgelmusik im 19./20. Jahrhundert(Musik und Gottesdienst Heft 1/06, S. 26–28)S. 4






HARMONIUM  -  Instrument - in Synagogen ...
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Bis 1810 gab es in Synagogen (in Deutschland) keine Orgeln. Orgeln galten in jüdischen Gemeinden als „Hauptinstrument christlicher Kirchenmusik“. Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes in den Synagogen war Aufgabe des Kantors, ein Instrument wurde nicht gebraucht.

Der Anfangspunkt der Einführung der Instrumente in den jüdischen Gottesdienst in Deutschland fällt in das Jahr 1810, als Israel Jacobson in der von ihm gegründeten Erziehungsanstalt und Handwerksschule für jüdische und christliche Kinder in Seesen am Harz eine Orgel aufstellen ließ. Die erste nachweislich in einer deutschen Gemeindesynagoge stehende Orgel wurde 1818 in Hamburg eingeführt, nachdem bereits 1815 in Berlin und 1816 in Kassel synagogale Lieder mit Orgelbegleitung gesungen worden waren. Die Entwicklung nahm einen deutlichen Aufschwung,nachdem die zweite deutsche Rabbinerversammlung 1845 einstimmig für die Zulässigkeit der Orgel in der Synagoge votiert hatte.“ 

( http://www.hagalil.com/archiv/2000/09/synagogenorgeln.htm)


Viele liberale Gemeinden, die sich die Anschaffung einer Orgel nicht leisten konnten, schafften stattdessen zur Begleitung des Gesangs und zur Gestaltung des Gottesdienstes ein Harmonium oder ein Klavier an.  
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in fast allen liberal geprägten Synagogen der großen deutschen Städte Orgeln (z.B. Augsburg, Berlin, Darmstadt, Dresden, Essen, Frankfurt am Main, Leipzig, Mainz, München, Wiesbaden, Worms). In kleinen liberal geprägten Gemeinden wurden oft Harmonium-Instrumente – so wie sie auf dem Markt verfügbar waren – angeschafft und genutzt. Während es inzwischen für die Orgeln in Synagogen inzwischen eine Reihe von Untersuchungen und Dokumentationen gibt1, gibt es dies für Harmonium-Instrumente nicht. Rodeland/Seip verweisen darauf, dass in den statistischen Erhebungen oft zwar Instrumente ermittelt wurden, aber nicht immer deutlich zwischen Orgel und Harmonium unterschieden worden ist. Ein Grund dafür, dass im Gegensatz zu Orgeln Harmonium-Instrumente in Synagogen nicht mehr genauer dokumentiert werden können, ist auch, dass ein Harmonium von den jüdischen Gemeinden im Musikalienhandel mit Kaufvertrag gekauft wurde, es aber keine weiteren Verträge zur Stimmung und/oder Wartung gab. Orgeln dagegen wurden in der Regel im Tahmen eines Werkvertrages geliefert.  Diese Werkverträge sind bis heute durchaus vorhanden und/oder auf der Basis weitere Informationen (z.B. bei den Orgelbaufirmen) leichter rekonstruierbar.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden die vorhandenen Harmonium-Instrumente und Synagogenorgeln zusammen mit dem weiteren Inventar der Synagogen weitgehend rücksichtslos mutwillig zerstört.2


Zu den Kompositionen für das Harmonium in Synagogen: http://kulturerbe-harmonium.de/rezensionharmoniuminsynagogen.pdf

In Kürze erscheint ein ausführlicher Text am der Website http://www.harmonium.gdo.de


1 so.z. B. - Jürgen Rodeland/ Achim Seip: Beiträge zur Erfassung · von Synagogenorgeln in: Orgel international 1991/1 S. 17f., , -Tina Frühauf: Orgel und Orgelmusik in deutsch-jüdischer Kultur (beide- (siehe Literaturverzeichnis)

2Beleg: http://www.hagalil.com/archiv/2000/09/synagogenorgeln.htm

1http://www.hagalil.com/archiv/2000/09/synagogenorgeln.htm





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