Wo steht ein Harmonium? (Seite im Aufbau) | ||
Das Harmonium fand aber auch bald seinen Platz in Kirchen, weil es dem Klang der Orgel nahe kam - als Ersatz für die Chororgel und oft genug auch für die Hauptorgel. Es war billiger als eine Orgel und konnte auch in kleineren Räumen aufgestellt werden. Für den Einsatz des Harmoniums im Gottesdienst schrieben - besonders, aber nicht nur in Frankreich - bekannte und namhafte Komponisten Stücke ganz unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade. Eine Blüte erlebte das Harmonium gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als es als eine Art Heimorgel und Hausinstrument des bürgerlichen Mittelstands, aber auch als veritables Konzertinstrument entdeckt wurde. Auch „Salonorchester“ haben regelmäßig das Harmonium genutzt. In der westlichen Welt wurden zeitweise (um 1900) doppelt so viele Harmonien wie Klaviere verkauft. Einen ganz eigenen Weg ging dann das Kunstharmonium - auf das hier zunnächst nicht näher eingegangen werden soll. Deutsche Harmoniumbau - Firmen lieferten insgesamt deutlich über eine halbe Million Instrumente aus. (weitere Informationen und Links: http://de.wikipedia.org/wiki/Harmonium ) HARMONIUM - INSTRUMENT FÜR ... . . . . . . . . . . . . . | ||
HARMONIUM - Instrument für Hausmusik - Instrument im Salon - ... | ||
| ||
In vielen Kirchen in Frankreich (durchaus auch in Deutschland) stand/steht seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Harmonium (als Ersatz für die Hauptorgel, oft auch für die Chororgel). 1 Für ein Harmonium musste wesentlich weniger Geld aufgewendet werden als für eine Orgel, so konnten sich auch nicht wohlhabende Gemeinden ein Musikinstrument für die Begleitung des Gesangs und die feierliche Gestaltung des Gottesdienstes leisten. Die (Musik)verlage veröffentlichten deshalb auch viele Notenausgaben mit dem ausdrücklichen Vermerk "für Orgel oder Harmonium". Wichtigster Gesichtspunkt für diese Veröffentlichungen war, dass kein Pedal benötigt wurde. Die eigene "Klangewelt" und die Möglichkeiten des Harmoniums waren hier eher wenig im Blick. Besonders französische Komponisten haben allerdings auch für die Klangwelt des Harmoniums komponiert ( siehe hier).
KIRCHE aus Niederhörlen im Hessenpark (19.Jahrhundert) Das Harmonium Blick aus dem Kirchenraum auf das Harmonium neben dem Altar. Situation in Frankreich Emanuele Jannibelli weist darauf hin, dass der Einsatz des Harmoniums und die relativ große Zahl von Gottesdienstkompositionen für Harmonium in Frankreich der realen Situation geschuldet waren: „ In durchschnittlichen französischen Landkirchen waren Orgeln (und ausgebildete Spieler) eine Ausnahme. Ganz selbstverständlich begann deshalb das neu erfundene Harmonium in die Lücke zu springen. ... . 3 Die Komponisten schrieben fürs Harmonium, um eben den Literaturbedarf der französischen Provinzkirchen zu befriedigen. Ihre Beziehung zu dem Instrument war nicht immer sehr tief. Dies kommt aber der Verwendung dieser Stücke als Orgelmusik sehr entgegen. Ganz im Gegensatz wiederum zur Harmoniumsmusik etwa von Karg-Elert, die – wenn überhaupt – nur nach tiefer gehender Bearbeitung auf der Orgel darstellbar ist.“4 So bekommt in diesen Kompositionen das Harmonium im Gottesdienst die Funktion der Orgel „ Orgel oder Harmonium“ -je nachdem, welches Instrument in der Kirche steht (Harmonium ist hier also wirklich oft „Orgelersatz“). Komponisten großer symphonischer Orgelmusik aus Frankreich für Orgel oder Harmonium … Diese Sammlungen für „Orgel oder Harmonium“ haben die reale Situation in den Gemeinden im Blick und wollten Musik für die vorhandenen Instrumente bereit stellen. In den Registrierungshinweisen haben viele deutlich die Möglichkeiten des Harmoniums vor Augen und dabei aber auch gleichzeitig an kleinere Orgeln gedacht und für diese ebenfalls eine eigene Registrierung entworfen. So haben diese namhaften Komponisten – oft selbst Organisten an den großen Orgeln der Metropole Paris - bewusst für einfache Verhältnisse (was Instrument und vielleicht auch den Spieler des Instruments betrifft) komponiert -sicherlich oft auch auf Anregungen durch die Verlage. Sammlungen für kleine Orgeln und Harmonium erweiterten den Kundenkreis beträchtlich - „L'Organiste“ von César Franck z.B. ist Ergebnis eines „Auftrags“ des „Enoch - Verlags“. Wir haben davon heute einen Schatz von Kompositionen, die die Möglichkeiten der Einbeziehung von Kompositionen aus der Zeit der Romantik (z.B. auch für nebenamtliche Organisten) erweitern. ( H.J. Busch hat in seinem Handbuch viele dieser Stücke mit „Schwierigkeitsgrad“ kommentiert. Oft werden sie von ihm mit den (niedrigen Schwierigkeitsgraden 1+2+3 auf einer Skala von 1-6 (1=sehr leicht, 6 =sehr virtuos ) bewertet. Dennoch sind diese Werke „vollwertige“ Musik ihrer Zeit, die auch heute noch wichtige Akzente setzen und viele Veranstaltungen bereichern kann. Das Projekt Komponisten großer symphonischer Orgelmusik aus Frankreich für Orgel oder Harmonium … stellt diese Kompositionen in einer Handreichung genauer vor. ... mehr ----------------------------------------------------------- Anmerkungen 1 In großen Kirchen gab/gibt es neben der großen Orgel (oft als Hauptorgel bezeichnet) eine kleinere „Chororgel“ . Im Chorraum der Kirche dient(e) sie der Begleitung des (gregorianischen) Chorgesanges . „In Frankreich und England ist es seit dem 19. Jahrhundert üblich, mindestens zwei Organisten anzustellen, von denen einer ausschließlich für die Chororgel zuständig ist. Beide Aufgabenbereiche sind streng voneinander getrennt.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Chororgel 3„Wieso diese Fülle von Harmoniumsmusik gerade in Frankreich, wird man sich fragen. Dies hat viel mit der kirchenmusikalischen Situation in der «France profonde» (der viel zitierten französischen Provinz, zu tun), die sich sehr stark von derjenigen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterschied. Die französische Provinz war eben wirklich «provinziell». Hier hat ja der negative Beigeschmack dieses Adjektivs seinen Ursprung. In durchschnittlichen französischen Landkirchen waren Orgeln (und ausgebildete Spieler) eine Ausnahme. Ganz selbstverständlich begann deshalb das neu erfundene Harmonium in die Lücke zu springen. Emanuele JannibelliPour orgue ou harmonium Leichte französische Orgelmusik im 19./20. Jahrhundert 4
Emanuele
JannibelliPour
orgue ou harmonium Leichte
französische Orgelmusik im 19./20. Jahrhundert(Musik
und Gottesdienst Heft 1/06, S. 26–28)S. 4
Bis 1810 gab es in Synagogen (in Deutschland) keine Orgeln. Orgeln galten in jüdischen Gemeinden als „Hauptinstrument christlicher Kirchenmusik“. Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes in den Synagogen war Aufgabe des Kantors, ein Instrument wurde nicht gebraucht. „Der Anfangspunkt der Einführung der Instrumente in den jüdischen Gottesdienst in Deutschland fällt in das Jahr 1810, als Israel Jacobson in der von ihm gegründeten Erziehungsanstalt und Handwerksschule für jüdische und christliche Kinder in Seesen am Harz eine Orgel aufstellen ließ. Die erste nachweislich in einer deutschen Gemeindesynagoge stehende Orgel wurde 1818 in Hamburg eingeführt, nachdem bereits 1815 in Berlin und 1816 in Kassel synagogale Lieder mit Orgelbegleitung gesungen worden waren. Die Entwicklung nahm einen deutlichen Aufschwung,nachdem die zweite deutsche Rabbinerversammlung 1845 einstimmig für die Zulässigkeit der Orgel in der Synagoge votiert hatte.“ ( http://www.hagalil.com/archiv/2000/09/synagogenorgeln.htm) Viele liberale Gemeinden, die sich die Anschaffung einer Orgel nicht leisten konnten, schafften stattdessen zur Begleitung des Gesangs und zur Gestaltung des Gottesdienstes ein Harmonium oder ein Klavier an. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in fast allen liberal geprägten Synagogen der großen deutschen Städte Orgeln (z.B. Augsburg, Berlin, Darmstadt, Dresden, Essen, Frankfurt am Main, Leipzig, Mainz, München, Wiesbaden, Worms). In kleinen liberal geprägten Gemeinden wurden oft Harmonium-Instrumente – so wie sie auf dem Markt verfügbar waren – angeschafft und genutzt. Während es inzwischen für die Orgeln in Synagogen inzwischen eine Reihe von Untersuchungen und Dokumentationen gibt1, gibt es dies für Harmonium-Instrumente nicht. Rodeland/Seip verweisen darauf, dass in den statistischen Erhebungen oft zwar Instrumente ermittelt wurden, aber nicht immer deutlich zwischen Orgel und Harmonium unterschieden worden ist. Ein Grund dafür, dass im Gegensatz zu Orgeln Harmonium-Instrumente in Synagogen nicht mehr genauer dokumentiert werden können, ist auch, dass ein Harmonium von den jüdischen Gemeinden im Musikalienhandel mit Kaufvertrag gekauft wurde, es aber keine weiteren Verträge zur Stimmung und/oder Wartung gab. Orgeln dagegen wurden in der Regel im Tahmen eines Werkvertrages geliefert. Diese Werkverträge sind bis heute durchaus vorhanden und/oder auf der Basis weitere Informationen (z.B. bei den Orgelbaufirmen) leichter rekonstruierbar. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden die vorhandenen Harmonium-Instrumente und Synagogenorgeln zusammen mit dem weiteren Inventar der Synagogen weitgehend rücksichtslos mutwillig zerstört.2
2Beleg: http://www.hagalil.com/archiv/2000/09/synagogenorgeln.htm
1http://www.hagalil.com/archiv/2000/09/synagogenorgeln.htm | ||
copyright: Martin Geisz 2015 |